BVMW, Bildungsallianz des Mittelstandes, BvLB und VDR fordern: Digitalisierung in der Krise zwingend vorantreiben und begrüßen das 500 Millionen Euro Sofortprogramm.
Deutschland ist im Bildungswesen mitunter noch ein digitales Entwicklungsland. Die Corona-Krise hat das noch einmal schmerzlich offenbart. Während die Lehrkräfte bundesweit über alle Schulgrenzen hinweg ohne Masterplan, dafür aber mit pragmatischem Engagement Online-Unterricht auf die Beine gestellt haben und sich das notwendige Wissen mangels vorhandener Fort- und Weiterbildungsangebote über Youtube-Videos und learning-by-doing angeeignet haben, stießen sie bei der praktischen Umsetzung schnell an die technischen Grenzen und damit an die Schwachstellen des Systems:
Das Breitbandnetz ist extrem löchrig und großflächig nicht vorhanden. Vielfach fehlen digitale Endgeräte, um einen gesicherten Online-Unterricht durchführen zu können. Pädagogisch-didaktische Online-Lerninhalte sind Mangelware, ebenso Fort- und Weiterbildungsangebote. Eine funktionierende Bildungscloud gibt es nicht.
Für Mario Ohoven, den Präsidenten des BVMW, ist deswegen klar: „Der Digitalpakt der Bundesregierung greift nicht, weil die 5 Milliarden Euro zweckgebunden sind und nicht dort eingesetzt werden können, wo sie wirklich gebraucht werden. Das muss sich sofort ändern! Deutschland braucht ein digitales Fitnessprogramm für die Schulen!“
„Wir sind als Bildungsallianz des Mittelstandes schon einmal froh, dass diese Botschaft langsam aber sicher auch im Bundesbildungsministerium ankommt. Ein großes Sofortausstattungsprogramm für Schulen für den digitalen Unterricht zu Hause ist überfällig!“ äußert sich Patrick Meinhardt, Generalsekretär der Bildungsallianz des Mittelstandes, heute in Berlin. Runtergebrochen auf die knapp 44.000 Schulen in Deutschland bekäme jede Schule allerdings gerade einmal gut 11 000 Euro aus dem Sofortprogramm.
„Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieses Programm kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit nur ein kleiner Beitrag zur Verbesserung des digitalen Unterrichts einhergeht“, mahnt Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR) und betont: „Wir können es uns in Deutschland nicht leisten, dass Ressourcen ungenutzt bleiben oder verschwendet werden.“
In vielen Bundesländern zeige sich derzeit, „dass Lernplattformen nicht stabil laufen, Cloud-Lösungen noch unzureichend eingeführt sind oder vielfach ein Nebeneinander an digitalen Insel-Lösungen existiert. Die Ausbildung 4.0 kämpft mit einer Mangelwirtschaft, anstatt mit Digitalkompetenz zu trumpfen“, sagt Joachim Maiß, einer von zwei Vorsitzenden des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB) und erinnert: „Die berufsbildenden Schulen sind das Bindeglied zur Wirtschaft.“
„Die Anforderungen der Betriebe sind maßgeblich für das, was wir vermitteln. Dabei haben wir im Zuge der Digitalisierung die schwierige Aufgabe, für eine Zukunft auszubilden, von der man nicht weiß, wie sie aussieht“, sagt Eugen Straubinger, ebenfalls BvLB-Vorsitzender, und manifestiert: „Berufsbildende Schulen müssen deshalb Kompetenzzentren für berufliche Bildung in der digitalen Transformation werden.“ Um hier erfolgreich sein zu können, müssten Technik und Didaktik zusammengeführt werden. Die berufliche Bildung braucht Learn-Labs, wo die Transformation gelebt wird, und digitale Klassenräume, die über Schulgrenzen hinweg untereinander vernetzt sind und einen Wissenstransfer ermöglichen.
Da es mit Blick auf die Corona-Krise in absehbarer Zeit keinen Regelschulbetrieb geben wird, Präsenzunterricht und Online-Units sich ergänzen werden, fordern der BVMW, die Bildungsallianz des Mittelstands, der BvLB und der VDR zügig weitere Schritte, um die Digitalisierung der schulischen Bildung voranzutreiben:
• Die Mittel aus dem Digitalpakt Schule müssen jetzt bei den Schulen ankommen! Hier sind alle Verantwortlichen gefordert.
• Die technischen Standards für die digitale Transformation – wenn auch noch nicht überall erfüllt – sind längst gesetzt und undiskutabel: Gigabit für alle, leistungsstarkes W-LAN in allen Klassenräumen, „Bring your own device“ (BYOD) und Cloudtechnologie.
• Städte, Landkreise oder Kommunen sind aufgefordert digitale Gesamtlösungen für ihre Region aufzustellen. Es darf zu keinen „Insel-Lösungen“ kommen. Ziel ist die Schaffung einer digitalen Infrastruktur, die von verschiedenen Schulen bei Wahrung der Anforderungen des Datenschutzes genutzt werden können (Nutzung gemeinsamer Datenspeicher, interner Netzwerke, pädagogischer Plattformen).
• Die technische Betreuung der schulischen IT-Systeme muss in die Hand von Profis. Hier sind regionale ITUnternehmen gefordert. Lehrkräfte sind Pädagogen und keine IT-Experten.
• Digitale Fort- und Weiterbildungsformate für Lehrkräfte sind zentraler Baustein der Digitalisierung und müssen deutlich ausgebaut werden, denn mit Technik allein ist eine Digitalisierung nicht zu bestreiten.
• Die Expertise der Wirtschaft vor Ort ist bei der weiteren Digitalisierung notwendig.