Onlinemeetings, Webinare, interaktive Arbeitsblätter erstellen, Lehrvideos drehen und als Online-Berater für Schülerinnen und Schüler immer ein offenes Ohr für die technischen Widrigkeiten des Alltags haben – die Lehrkräfte der beruflichen Bildung haben in der Corona-Krise Edutainment-Qualitäten bewiesen: „Die Lehrkräfte der beruflichen Bildung haben das Homeschooling ohne Masterplan, aber mit experimentellem Engagement und einem extrem hohen Zeitaufwand etabliert. Damit haben sie einen entscheidenden Rettungsanker für das Bildungssystem in der Krise geschaffen – trotz aller technischen Hürden“, sagt Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB).
Edutainment-Manager – die Berufsbezeichnung hat es bisher noch nicht ins allgemeine Vokabular geschafft, versinnbildlicht aber trefflich die Bandbreite der alltäglichen Arbeitsfelder der Lehrkräfte der beruflichen Bildung: Die Berufsbildner sind Berufsberater, Arbeitsmarktberater, Mediator zwischen Auszubildenden und Betrieben, Prüfer im Namen der Kammern, Kommunikationsexperten, Sozialpädagogen, IT-Spezialisten und eben Fachlehrer. Sie kennen ihr Metier ebenso wie die Betriebe und deren Bedürfnisse als Partner der dualen Ausbildung. Schließlich sind die berufsbildenden Schulen das Bindeglied zur Wirtschaft. Was sich gerade in der Krise als belastbare Größe erwiesen hat, um den fast täglich neuen Herausforderungen gerecht zu werden – bis hin zu Wiederstart in den Regelschulbetrieb, wo jetzt mit einem Mix aus Präsenz- und Online-Unterricht im Zweischichtbetrieb das Arbeitsvolumen nochmals deutlich angewachsen ist.
Schon seit Jahren verändert sich das Berufsbild des Berufsschullehrers. Weg vom primären Wissensvermittler hin zum individuellen Lernbegleiter. „Durch die aktuelle Krise erfährt diese schleichende Veränderung eine massive Dynamik. Die digitale Transformation, ohnehin längst in der Schule angekommen, ist schlagartig gelebter Alltag. Und die Lehrkräfte der beruflichen Bildung ersetzen dabei die nicht vorhandenen e-Didaktiker getreu dem Motto ‚Geht nicht – gibt’s nicht‘“, sagt Eugen Straubinger, ebenfalls BvLB-Vorsitzender. Dieser Entwicklungsprozess ist fortschreitend und wird den beruflichen Alltag perspektivisch verändern.
Künftig übernimmt der Lernende die aktive Rolle. Der Lehrende schafft den nötigen Rahmen für relevante Lernfelder. Das ist diametral zum heutigen Frontalunterricht. Man lernt in Gruppen, tauscht sich fortwährend aus. Kollaboratives Lernen ist gefragt, um die komplexen Probleme, die schon heute den Arbeitsalltag in den Betrieben bestimmen, gemeinsam und teamorientiert zu lösen. Weshalb künftig nicht mehr nur die fachliche Kompetenz gefragt ist, sondern soft skills, die es zu vermitteln gilt. Schule ist künftig der Ort, an dem aus Informationen Haltung wird.
Damit die Berufsbildner ihre Zukunftsrolle auch einnehmen können, sind prozessorientierte Aus- und Weiterbildungen nötig, wo Unterrichtsprojekte implementiert werden können. „Im ersten Stepp gilt es, die erfolgte Digitalisierung durch die Hintertür – nichts anderes war und ist das Homeschooling in der Krise – weiter zu professionalisieren und einen entsprechenden strukturellen Unterbau zu schaffen, um Home-Learning als festen Bestandteil neben Präsenzunterricht im Schulalltag zu implementieren“, sagen Maiß und Straubinger unisono. Sie fordern: „Die Schulen der beruflichen Bildung müssen zu Kompetenzzentren erwachsen. Eine wesentliche Grundvoraussetzung für das weitere Gelingen der digitalen Transformation der beruflichen Bildung ist, dass Technik und Didaktik zusammengeführt werden und e-Didaktik-Konzepte entwickelt werden. Hier ist die Politik gefordert, den entsprechenden Rahmen zu schaffen.“